Wenn es ums Wohnen geht, lieben die Deutschen den Massivbau. Das besagen zumindest die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach lag der jährliche Anteil der Wohnungsneubauten in Massivbauweise zwischen 2000 und 2015 stets bei rund 85 Prozent. Doch was ist eigentlich der Grund für diese Bauweise? Sind Häuser aus Mauerwerk, Stahlbeton und Co. tatsächlich besser als Gebäude in Leichtbauweise? Oder ist die deutsche Vorliebe für den Massivbau eine Tradition, die heute nicht mehr sinnvoll ist?
Solide Tradition
Eigentlich war die Fachwerkbauweise seit dem 13. Jahrhundert für lange Zeit der letzte bauliche Schrei in Mitteleuropa. Dies änderte sich jedoch im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung, die zu einer guten Verfügbarkeit von mineralischen und metallischen Baustoffen führte und damit den ersten Massivbau im großen Stil überhaupt erst ermöglichte. Prompt wurden die üblichen Holzkonstruktionen weitestgehend verdrängt und es wurde überwiegend in Massivbauweise gebaut. So wie heute.
Die Gründe, warum die Hausbauer den neuen Massivbauten den Vorzug gaben, waren durchaus nachvollziehbar: Die gemauerten Gebäude waren sicherer und hielten länger als die brandgefährdeten und pflegeintensiven Fachwerkhäuser. Ähnliche Argumente werden auch heute noch für die Massivbauweise angeführt. Hinzu kommen ein besserer Schallschutz und eine vermeintlich bessere Wärmedämmung. Bleibt nur die Frage: Ist das alles (noch) richtig?
Echte Vor- und Nachteile
Die Antwort lautet: Ja und nein. Massivbauten bestehen aus nicht brennbaren Materialien, was definitiv ein Vorteil gegenüber Gebäuden aus Holz ist, obwohl Holzbauten keineswegs leichte Brandopfer sind. Die dicken Wände bieten aufgrund ihrer Dicke auch einen besseren Schallschutz und haben prinzipiell eine höhere Dämmwirkung als die dünnen Wände eines Holzrahmenbaus. Als schlecht wärmeleitendes Material bietet Holz jedoch ein besseres Dämmvermögen, so dass bei Verwendung von Dämmmaterial in den Zwischenräumen dünnere Wände mit gleicher oder besserer Dämmleistung erreicht werden können.
Auch die längere Lebensdauer von Massivbauten ist nur teilweise richtig. Im Gegensatz zu Stein und Beton kann Holz verrotten, wenn Feuchtigkeit eindringt, und damit seine strukturellen Fähigkeiten verlieren. Deshalb kann ein Pfusch am Bau schon nach wenigen Jahren das Aus für einen Holzbau bedeuten. Bei Massivbauten können solche Mängel jedoch auch später noch ausgebügelt werden. Traditionelle Holzhäuser in Vorarlberg zum Beispiel zeigen aber, dass Holzkonstruktionen durchaus mehrere hundert Jahre halten können, wenn die tragenden Teile richtig geschützt sind.
Neben diesen (mehr oder weniger) Vorteilen hat der Massivbau in der Gesamtbetrachtung auch einige Nachteile. Zum einen sind der Primärenergieverbrauch und die CO2-Emissionen bei der Herstellung der Rohstoffe deutlich höher als bei Holzbauten. Zum anderen sind sie nicht regenerativ und nur bedingt recycelbar. Und dann ist da natürlich noch der längere Bauprozess aufgrund der geringen Vorfertigungsmöglichkeiten, der in der Regel eine stärkere Doppelbelastung für die Bauherren bedeutet.
Fazit
Massivbauweisen haben also ihre Vor- und Nachteile, wobei es weniger Vorteile gibt, als oft angenommen wird. Rein von den tatsächlichen Vorteilen her betrachtet, lässt sich auch die extrem hohe Zahl der Massivbauten in Deutschland nicht erklären. Vielmehr scheinen dafür tradierte Vorurteile verantwortlich zu sein, die sich zeigen, wenn Menschen im Hausbau Forum sagen, etwas sei „massiv“ und damit etwas besonders Beständiges und dauerhaft Gutes meinen.
Die soliden Strukturen haben dann durch diese Vorurteile einen weiteren Vorteil: Da der Marktwert durch solche subjektiven (Wert-)Vorstellungen bestimmt wird, werden Massivhäuser in Deutschland oft zu einem höheren Preis weiterverkauft als Fertighäuser.